AleX - Die Alters Simulations Erfahrung

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Maintower - das Boulevardmagazin des hr-Fernsehens berichtet

Das Medienhaus der EKHN berichtet über einen Selbstversuch mit AleX



Plötzlich alt

Für immer jung? Von wegen . .. Der Jugendlichkeitskult treibt zum Teil bizarre Blüten. Im steten Bemühen, jünger auszusehen, als man tatsächlich ist, wird das Unabwendbare ausgeblendet: Tag für Tag wird man älter. Ob man will oder nicht. Wie aber fühlt es sich an, um Jahre gealtert zu sein? Matthias Pieren von der Taunus-Zeitung wollte es wissen. Es war nicht die Last eines langen Lebens, die seinen Gang bremsten, die Haltung krümmten, das Augenlicht eintrübten und die Hände zittern ließen. Daran war Alex Schuld . . .

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Der Bericht in der Taunus-Zeitung von Matthias Pieren
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Mit „AleX“ Probleme von Menschen mit Einschränkungen begreifen

Mareike Schrenk steht mühsam auf. Mit der linken Hand muss sie sich am Tisch abstützen. Sie tippelt etwas unsicher den Gang entlang zum Kaffeeautomaten. Es dauert eine Weile, bis sie den richtigen Knopf für den Cappuccino gefunden hat. „Muss ich da das Geld reinwerfen?“, fragt sie umstehende Personen. Sie muss ganz dicht mit ihren Augen an die Tasten, um die Beschriftung lesen zu können. „Wo sind denn die Becher? Kommen die von selbst heraus?“ Es dauert. Endlich, nach etwa sieben Minuten zieht sie den Becher heraus, verschüttet etwas Kaffee und geht erschöpft zur Seite. Die umstehenden Personen haben geduldig ausgeharrt. Wohl vor allem deshalb, weil dies ein Testversuch ist. Wäre diese Situation an einem Fahrkartenautomat gewesen und Realität, hätten die Umstehenden wohl nicht so viel Geduld mit der vermeintlich älteren Dame gehabt.

 

Mareike Schrenk aber ist eine junge Frau und arbeitet für Hochschule Fresenius. Sie hat freiwillig den neuen Alters- Simulationsanzug „AleX“ der Diakoniestation Idstein angezogen, um am eigenen Körper zu erleben, wenn es sich anfühlt, wenn die Sicht, das Gehör, die Gelenke und vieles mehr, nur noch eingeschränkt funktionieren. „AleX“ steht für ‚Alters Experience’. 

 

„Spontanes Altern“ nennt Pfarrer Markus Eisele diese unangenehme Erfahrung. Der Vorsitzende vom Diakonie-Förderverein Idstein hatte die Idee zu diesem Anzug. Im Sanitätshaus Kern und DJO.Global, einer Firma für Orthesentechnik, fand er großzügige und interessierte Sponsoren. Denn der Anzug kostet insgesamt etwa 4000 Euro. Es ist der erste nicht-kommerzielle dieser Art in der Region. Und: dadurch, dass Orthesen anstelle der üblichen Bandagen benutzt werden, kann man verschiedenste Krankheitsbilder simulieren: Etwa einen halbseitigen Schlaganfall oder Kniegelenkarthrosen. Mit den Tremor-Handschuhen können Probanten spüren, wie sich Menschen mit Parkinson fühlen. Verschiedenste Brillen simulieren den grauen Star oder eine beginnende Netzhautablösung. So kann man mit „AleX“ auch verschiedenste Stufen des typischen Alterns simulieren.

Alterssimulationsanzug soll Therapieformen verbessern


„Der Anzug st kein Entertainement-Produkt“ betont Markus Eisele. Vielmehr soll er Menschen, Unternehmen und Gruppen für die Bedürfnisse von älteren und kranken Menschen sensibilisieren und sie danach möglichst konkrete Maßnahmen vor-nehmen bzw. ihre Angebote besser abstimmen. So wie in der Hochschule Fresenius, als Martina Schrenk mühsam die Treppe in der Hochschule runtersteigt sagt sie: „Ich kann zwar das Geländer sehen, aber nicht wo die Treppenstufen beginnen.“ „Das müssen wir ändern!“, sagt Michaela Jäger spontan, sie ist Schulleiterin der Physio-therapie am Institut. Sie beobachtet kritisch, was sich am Verhalten verändert. Die Körperhaltung sei instabil, wie ein Fragezeichen, erklärt sie. Und nachdem Mareike Schrenk beim Aufstehen sagte: „Ich komme hier nicht mehr hoch“, erläutert sie, dass deshalb niedrige Toiletten für in der Bewegung eingeschränkte Personen zum Problem werden können. Michaela Jäger will dafür sorgen, dass das Projekt „Alex“ durch die Hochschule Fresenius begleitet wird. Angehende Physiotherapeutinnen und Ergotherapeuten werden ihn in ihrer Ausbildung ausprobieren. „Wir werden den Anzug mit in den geriatrischen Unterricht hinein nehmen und dann Tagesabläufe üben. Aufstehen, ins Bad gehen, Haare kämmen, zum Bäcker gehen und Brötchen holen, am Geldautomaten Geld ziehen, ins Auto steigen“, erklärt sie. Mit Hilfe von „AleX“ wolle man Therapien anpassen und eventuell neue Therapieformen ent-wickeln. Realistische Hoffnung ist es, dass AleX Thema einer Bachelor Arbeit werde, dann würden sogar Studien über ihn erstellt werden.

„AleX“ erst mit Hilfe vom Sanitätshaus Kern und DJO:GLOBAL möglich
Jost Kreiling von DJO:GLOBAL ist auch an diesen Ergebnissen interessiert. Mit der Unterstützung des Anzuges wolle man sehen, ob Hilfsmittel neu entwickelt oder angepasst werden müssten. Carl Rudolf Kern vom gleichnamigen Sanitätshaus in Idstein unterstreicht: „Ich bin davon überzeugt, dass der Alters-Simulationsanzug eine Sache ist, die jedermann interessieren müsste. Uns ist es als Unternehmen in der Region wichtig, sich sozial zu engagieren, etwas von dem zurückzugeben, was wir bekommen haben.“


Ausleihen kann man den Anzug für eine geringe Leihgebühr künftig bei der Diakoniestation Idstein, die auch Unterstützung beim Anlegen gibt. Angefragt ist „AleX“ bereits für den Jugendkirchentag 2014 in Darmstadt und von Kirchen-gemeinden, die erproben wollen, ob ihre Gemeindehäuser altersgerecht sind.


Der Anzug kann über den Diakonie-Förderverein Idstein bei Pfarrer Markus Eisele angefragt werden. Telefon: 06126 – 22 88 22 E-Mail: markus.eisele @ ekhn.de.

 

(Bericht: Diakon Christian Weise, Öffentlichkeitsarbeit der Evangelischen Kirche im Rheingau-Taunus)


„Spontanes Altern“ im Selbstversuch - Hochschule Fresenius unterstützt das AlterslebenseXperiment „AleX“

Ich komme die Treppen kaum hoch, ich sehe nur noch Umrisse und die Anweisungen der Fotografen verstehe ich auch nicht. Der Simulationsanzug des Projekts AlterslebenseXperiment „AleX“des Diakonie-Fördervereins Idstein-Waldems e.V. und des Sanitätshauses Kern macht aus mir, 28 Jahre, eine schwerfällige und unselbstständige Frau.

 

Eine fünf Kilogramm schwere Weste, Unterschenkel-, Knie und Ellenbogenorthesen, eine Halskrause, Handschuhe, eine Simulationsbrille und Gehörschutz simulieren neben Altersbeschwerden auch Krankheitsbilder und Handicaps. Tatsächlich verwandle ich mich in Minuten von einer jungen und agilen in eine unsichere und hilfsbedürftige Frau. Die Gewichte drücken auf meine Lungen, ich bekomme schwer Luft und jede Bewegung kostet mich viel Anstrengung. Meine Schritte sind wacklig, Personen, Gegenstände und Hindernisse erkenne ich nur schemenhaft und obwohl ich mich in den Räumlichkeiten der Hochschule auskenne, verliere ich schnell die Orientierung. Der Versuch an einem Kaffeeautomaten einen Kaffee zu ziehen wird zur Geduldsprobe. Durch die Handschuhe leidet meine Haptik, ich bekomme das Geld nicht zu greifen und kann eine 50 Cent -Münze nicht von einer 1 Euro-Münze unterscheiden. Den Münzeinwurf finde ich nicht und den netten Hinweis des Initiators Pfarrer Markus Eisele, wo sich dieser befindet, höre ich nicht.

 

Gefrustet ziehe ich nach einigen Minuten meinen Kaffee, den ich erst verschütte und dann, durch die Ellenbogenorthesen, kaum zum Mund führen kann.

Ich werde aufgefordert für die Fotografen die Treppen zu steigen. Aber gerne, das ist kein Problem…wenn jemand neben mir steht und mich notfalls halten könnte. Meine Knie beugen sich in unkontrollierten und abgehackten Bewegungen, ich halte mich am Geländer fest, denn die Stufen sehe ich nicht. Ohne Beisein anderer hätte ich mich das nicht gewagt.

Völlig erschöpft – ich hatte den Simulationsanzug höchstens 25 Minuten an – lasse ich mich auf den Stuhl sinken und mir den Anzug ausziehen. Pfarrer Eisele, der sich sehr für die Belange älterer und kranken Menschen in seiner Gemeinde engagiert, hat sein Ziel nicht verfehlt. Er will aufmerksam machen, mehr Verständnis für Betroffene gewinnen und Empathie wecken.

„Wir werden den Anzug mit in den geriatrischen Unterricht hinein nehmen und dann Tagesabläufe üben. Aufstehen, ins Bad gehen, Haare kämmen, zum Bäcker gehen und Brötchen holen, am Geldautomaten Geld ziehen, ins Auto steigen“, erklärt Michaela Jäger, Schulleiterin Berufsfachschule für Physiotherapie der Hochschule Fresenius.

Die Hochschule unterstützt das Projekt und wird den Simulationsanzug für therapeutische Zwecke verwenden. Die angehenden Ergotherapeuten und Physiotherapeuten bekommen so ein Gefühl für die Bedürfnisse und Beschwerden ihrer Patienten und können möglicherweise neue Therapieansätze entwickeln.

 

Quelle:09.09.2013,Idstein, Medical School, Berufsfachschulen Gesundheit & Soziales, Allgemeine News

 

(http://www.hs-fresenius.de/aktuelles-termine/news/newsansicht/news/spontanes-altern-im-selbstversuch-hochschule-fresenius-unterstuetzt-das-alterslebensexperim/